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Bericht in JOHANNEUM INTERN 15
Jede Sekunde in Angst
Geschichte des Juden Salomon Perel, der als Hitlerjunge die Nazizeit überlebt
hdr Lüneburg.
"Ich lebte in zwei Welten, zwei Seelen tobten in meiner Brust, nachts war ich der Sally, zeichnete mit dem Finger den Judenstern an das angehauchte Fensterglas. Und tagsüber war ich der Hitlerjunge, der sich sogar mit der nationalsozialistischen Ideologie identifizierte. Ich habe 40 Jahre gebraucht, um darüber reden zu können."
Gestern hat Salomon Perel vor hunderten junger Lüneburger in der Aula des Johanneums geredet und abends vor den Zuhörern einer öffentlichen Veranstaltung. Der Mann, der durch sein Buch über sein Doppelleben als "Hitlerjunge Salomon" bekannt geworden ist, schilderte am Vormittag den Schülern seine Beweggründe, aus Israel immer wieder zu Vortragsreisen aufzubrechen: "Aufklärung ist die beste Vorbeugung"
Für den Schüler Salomon brach die Welt der "glücklichen Kinderzeit" zusammen, als er zum
Direktor seiner Schule bestellt wurde. "Er gab mir einen Zettel für die Eltern, dann sagte er: und
jetzt raus. Juden haben an unserer Schule nichts mehr zu suchen." Bald danach saß der in Peine
geborene Junge mit seinen Eltern und Geschwistern im Zug, Ziel: das Ghetto in Lodz. "Meinen
Eltern war klar, dass das niemand überleben wird." Salomon, damals 14, und dem 16-jährigen
Bruder gelang die Flucht in Richtung Ostpolen in sowjetisch besetztes Gebiet. Wie Perel später
erfuhr, "wurde meine Mutter vergast, mein Vater verhungerte im Ghetto, meine Schwester starb
durch Genickschuss."
1941 kam er beim Überfall Hitlers auf die Sowjetunion in Grodno, 15 Kilometer von der
ostpreußischen Grenze entfernt, in deutsche Gefangenschaft. "Wir standen in langen Reihen auf
einem Feld und sollten sortiert werden. Mit meinem Stiefelabsatz grub ich meine Papiere in der
Erde ein." Um zu überleben, gab er sich als das volksdeutsche Waisenkind Josef Perjell aus. Viel
später, als bezweifelt wurde, ob die Geschichte vom Hitlerjungen Salomon wahr ist, hat Perel -
so berichtete er den Johannitern - bei Recherchen mit den Zeitschriften Stern und Spiegel sogar
den Wachtposten wiedergefunden, mit dem er damals zu tun hatte: "Er lebt in Lübeck."
Zunächst geriet "Josef" als eine Art Maskottchen der Kompanie ins Schlepptau der Wehrmacht, erlebte die erste Phase des Russlandfeldzuges mit, wurde dann abkommandiert zur Hitlerjugend-Schule nach Braunschweig. "Jede Sekunde war eine Ewigkeit, vier Jahre lang diese Angst vor Entdeckung und davor, sofort hingerichtet zu werden. Ein Freund, mit dem ich in der Hitlerjugend oft Schach spielte, sagte später in Israel einer Moderatorin, was passiert wäre: "Das Ende wäre grausam gewesen."
In den Jahren nach der Nazizeit hat sich Salomon Perel immer wieder den Kopf zermartert: "Wie konnte ich nachts den Judenstern ans Fenster malen und tagsüber Heil Hitler brüllen und sogar den Endsieg wünschen? Ein Psychologe kann das vielleicht erklären."
So war es letztlich auch eine Art Therapie, das Buch über den Hitlerjungen Salomon zu verfassen: Ich habe es als Erlösung geschrieben, um nicht in die Irrenanstalt zu kommen."
Aus: Lüneburger Landeszeitung vom 7.10.1999
Autor: hdr, LZ Landeszeitung Lüneburg
Datum: Oktober 1999. Letzte Änderung am
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