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Professor Dr. Edzard Schmidt-Jortzig

"Zum Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit"

Vortrag am 30. 1. 03 vor dem 12. und 13. Jahrgang
(Zusammenfassung nach Mitschrift)

Frau Dr. Krämer begrüßte die Anwesenden. Herr Blohm wies auf die Tradition der Vortragsreihe ehemaliger Johanniter hin, Herr Glombik ordnete das Schaffen des Vortragenden in die Tradition des Liberalismus ein.
"Zum Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit"

Mit einer persönlichen Befindlichkeit begann Herr Professor Schmidt-Jortzig seinen Vortrag, es habe ihn kein heiliger Schauer beim Anblick des Johanneums befallen, der noch vom alten Gebäude ausging, da dort Morgenfeiern in der Aula und der Spruch "Ehre ist Zwang genug" zur Unterwürfigkeit gezwungen hätten.
Das Thema des Referats verspricht er am Beispiel des Terrorismus zu verdeutlichen. Seine Eingangsthese lautet, dass die Bedrohung durch den Terrorismus in Deutschland für Angst und Schrecken nicht ausreiche, da er sich in der Kontrolle aller Geheimdienste befinde. Dennoch frage sich jeder Bürger, wie der Staat Sicherheit garantiere. Israel habe nach einem Ort gesucht, sicher wohnen zu könne und deswegen den Staat gegründet. Jeder Bürger wünsche sich Sicherheit vor Gewalttäten und Dieben. Der Staat selbst wolle nach außen Sicherheit garantieren durch die Bundeswehr, nach innen im doppelten Sinne
  1. repressiv durch Justiz, Staatsanwaltschaft und Polizei,
  2. präventiv durch Überwachung.
Die Frage eines jeden einzelnen Bürgers müsse sein:

Wieviel Freiheit sind wir bereit zu opfern um unsere Sicherheit zu garantieren?

Wichtig sind vor allem zwei Aspekte:
  1. die möglichen Fälle müssen gesetzlich festgelegt werden,
  2. die gerichtliche Überprüfung ist die Garantie für die Freiheit (§ 98,4 und 94,4).
Das soll an dem Fall von Mounier El Motassadeq, der gerade in Hamburg verhandelt wird, deutlich gemacht werden.
Nach dem 11.9.01 hat jeder das Gefühl betroffen sein zu können.. Es wird von einer Gefährdung von Atomkraftwerken gesprochen. Die Erfahrung, dass ein ruhiger Nachbar wie Atta aus Hamburg zum Piloten des Flugzeugs werden könne, das in einen Tower des WTC jagt, steckt noch jedem in den Knochen. Dem Marokkaner El Motassadeq wird nun vorgeworfen, der Geldbriefträger Attas gewesen zu sein. Die Anklage in Hamburg lautet deswegen auf Mittäterschaft. Der Prozess dauert schon vom Herbst 2002 und soll im Sommer 2003 abgeschlossen sein. Um den Verdacht zu verdichten, wurde der "große Lauschangriff" bewilligt.
Zunächst erklärt der Referent den Unterschied zwischen dem kleinen und dem großen Lauschangriff. Bei dem kleinen Lauschangriff sitzt die Wanze am Mann (die bemannte Wanze), beim großen Lauschangriff in der Wohnung (die unbemannte Wanze). [Für die Änderung des Grundgesetzes und die Einfügung der entsprechenden Gesetzesparagraphen war 1998 Herr Professor Schmidt - Jortzig als Bundesjustizminister verantwortlich.]
Was das bedeutet, machte der Referent an GG Art. 13 "Unverletzlichkeit der Wohnung" deutlich. Bis 1998 enthielt der Artikel nur drei Absätze, die heutigen Absätze 1,2 und 7. Hinzugefügt wurden die Absätze 3 - 6, in denen der große Lauschangriff definiert wird.
Abs. 3: Repression nach einer Tat,
Abs. 4/5: Prävention einer Tat,
Abs. 6: Kontrolle der Bundesregierung durch das Parlament.

Die Verpflichtung, das Parlament über den Einsatz des großen Lauschangriffs zu informieren, wurde zum erstenmal 2001 erfüllt, denn die Länder hatten erst nach längerer Zeit ihre Daten weitergegeben. Dabei kamen erstaunlich niedrige Zahlen heraus. In der Zeit der Gültigkeit des neuen Gesetzen waren 170 Anträge auf Durchführung des großen Lauschangriffs eingegangen. Davon wurde etwa die Hälfte genehmigt, von den genehmigten etwa 40 durchgeführt. Aber nur in etwa 20 Fällen ergaben sich solche Ergebnisse, dass eine Stärkung der Anklage dadurch entstand.
Im Falle von El Motassadeq sind sieben Wanzen in der Wohnung installiert gewesen, die zur Erhärtung der Anklage geführt haben. Es bestehe hinterher die Mitteilungspflicht an den Überprüften.
Auch in diesem Fall einer terroristischen Aktivität sieht der Referent die Notwendigkeit zwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit und dem Grundrecht auf persönliche Freiheit einen Ausgleich zu finden.
In der anschließenden Diskussion brachten die Schülerinnen und Schüler noch verschiedene Probleme zu Sprache. So interessierte es sie,
1. wer sich verantworten müsse bei falschem Einsatz des Lauschangriffs. Der Referent verwies auf den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit, die eine persönliche Haftung der entscheidenden Richter ausschließe.
2. ob El Motassadeq an die USA ausgeliefert werden müsse. Der Referent erklärte, dass die USA ein Land mit Todesstrafe in den meisten Staaten sei, deswegen nicht ausgeliefert werde, es sei denn, dass genau bekannt sei, dass die Anklage nicht in Punkten erhoben werde, die mit der Todesstrafe belegt seien. Die Entscheidung treffe aber nicht die Bundesregierung, sondern der am Landgericht Hamburg zuständige Senat.
3. ob ausländische Nachrichtendienste von der Bundesrepublik überprüft werden könnten. Der Referent verwies auf die Schließung der NSA in Bad Aiblingen am Chiemsee. Von dort aus sei in den Zeiten des Kalten Krieges der Osten überprüft worden. In der heutigen politischen Lage sei ein solches Abhören nicht mehr erforderlich und Bad Aiblingen werde von den Amerikanern geschlossen. Zugang zu der Einrichtung habe es erst nach diesem Beschluss gegeben. Eine Kontrolle sei also nicht erfolgt.
4. ob die Bundeswehr im Innern eingesetzt werden könne. Der Referent lehnte das nach der jetzigen Rechstlage (Art. 35 und 87a GG) ab, da die Aufgabe der Bundeswehr die Verteidigung nach außen sei und sie nur in genau definierten Fällen im Innern tätig werden könne, z.B. im Katastrophenfall. Als Behörde könne sie im Rahmen der Amtshilfe zur Hilfe aufgefordert werden. Im Falle des geistesgestörten Fliegers in Frankfurt sei ein Kampfeinsatz nicht gedeckt. Dazu wäre eine Verfassungsänderung nötig.
5. ob eine Kontrolle des Internets möglich sei. Der Referent hielt dieses für ausgeschlossen.
6. Welche Behörden in eine Wohnung eindringen dürften. Das sei nach BVerfSchG § 9,2, Satz 3 geregelt. Mobilfunk könne jederzeit durch Imsicatcher kontrolliert werden.
Zum Schluss betonte Herr Prof. Schmidt-Jortzig noch einmal, dass jede Maßnahme eine gesetzliche Grundlage brauche.


obenZusammenfassung und Web: Gisela Müller     Datum: November 2001. Letzte Änderung am 21.Februar 2003
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