Bundeswettbewerb innovative Schule
Beantwortung der sieben Leitfragen
1. Die verstärkte Motivation und Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler beruhte bei unserem Unterrichtsprojekt im Wesentlichen auf folgenden Gesichts-punkten:
- Beteiligung der Schülerinnen und Schüler bei der Auswahl des Projektthemas
- freie Zeitplanung der Schülerinnen und Schüler während des Projekts
- eigenständige Gestaltung einer Projektpräsentation (in Form eines Aula-Cafés vor der Schulöffentlichkeit und einer Powerpointpräsentation)
- Selbstkontrolle der Arbeitsergebnisse durch Kontrollbögen
- Aufheben der Fächergrenzen und des 45 Minuten-Taktes
- eigenständige Begegnung der Schülerinnen und Schüler mit dem Lerngegenstand
- Auswahl unter verschiedenen Aufgabentypen
- veränderte Lehrerrolle: Lehrer als Lernberater, Aufgabe der Kontrollfunktion
2. Da die Schülerinnen und Schüler ausschließlich in Gruppen arbeiten, haben sie die gemeinsame Verantwortung für ihre Arbeit, ihre Projektergebnisse und die abschließende Projektpräsentation. Die Schülerinnen und Schüler müssen die Ausgaben zuerst überschauen und anschließend eine Zeit- und Arbeitsstrategie entwickeln. Zusätzlich müssen sie überlegen, welche Aufgaben zu Hause bearbeitet werden sollen. Dabei sollen die Schülerinnen und Schüler ein gegenseitiges Helfersystem entwickeln: Schüler, die in bestimmten Bereichen besonders leistungsstark sind oder über bestimmte Fähigkeiten verfügen, unterstützen Schüler, die in eben diesen Bereichen noch Defizite aufweisen. Einige Aufgaben im Fach Mathe-matik waren so konzipiert, das die Ergebnisse in anderen Gruppen zur Lösung benötigt wurden. So entstand eine Kommunikation zwischen den verschiedenen Arbeitsgruppen. Die Ergebnisse mussten hinterfragt, ggf. erklärt (Expertensystem) und für neue Fragen uminterpretiert werden.
Die Teamarbeit verlangt von jedem Teilnehmer und jeder Teilnehmerin Beiträge und Leistungen ab. Die Schülerinnen und Schüler befinden sich in der Arbeitsgruppe in ständiger Kommunikation, sie sind permanent von der Gruppe gefordert. Sie können sich nicht - wie oft beim Frontalunterricht - "verstecken". Sie müssen Absprachen treffen und einhalten, Aufgaben gemeinsam lösen und auf ein gemeinsames Ziel, die Projektpräsentation, zu einem bestimmten Zeitpunkt hinarbeiten.
3. Team- und Kooperationsfähigkeit werden heute in der Berufs- und Arbeitswelt ebenso vorausgesetzt und erwartet wie eine professionelle Präsentation von Arbeitsergebnissen. Daher sollten auch Schülerinnen und Schüler rechtzeitig lernen, gemeinsam und zielstrebig an einem Projekt zu arbeiten.
Da die Arbeitsgruppen durch Losentscheid festgelegt wurden, mussten die Schülerinnen und Schüler u.U. auch mit Mitschülern zusammenarbeiten, mit denen sie bisher noch nie gemeinsam Aufgaben bearbeitet hatten. Insbesondere wird die in dieser Altersgruppe (Klasse 7) bestehende Trennung zwischen Jungen und Mäd-chen aufgehoben und eine Zusammenarbeit ermöglicht.
Inhaltlich erhielten die Schülerinnen und Schüler Einblick in das Leben der Antike:
Eine römische Familie reist von Pompeji nach Rom. Die Schülerinnen und Schüler erfahren, mit welchen Anstrengungen eine solche Reise verbunden war, welche Probleme bei einer solchen Reise auftreten konnten und wie es mit dem römischen Straßenwesen, den Übernachtungsmöglichkeiten und der Versorgung bestellt war. Gemeinsamkeiten und Unterschiede einer antiken und heutigen Reise können dabei herausgestellt und miteinander verglichen werden. Zusätzlich sollten die Schülerinnen und Schüler einen antiken und einen aktuellen Reiseführer entwickeln und den Reiseverlauf aus der Sicht eines Römers der Kaiserzeit, der die Reise im 21. Jahrhundert antritt, schildern.
4. Die Qualität der Lernprozesse wurde durch die Abgabe und Kontrolle der Arbeitsmappe eines jeden Schülers, durch die Präsentation der Arbeitsergebnisse sowie durch die abschließende Projektevaluation sichergestellt. Die Arbeitsmappe wurde benotet und ging somit auch in die "Endnote" eines jeden Faches ein. Die Evaluation wurde von den Schülerinnen und Schülern im Rahmen des Mathematikunterrichts (Prozentrechnung/Darstellung von Daten) selbst erstellt und ausgewertet. Zur Überprüfung des Lernfortschritts stand in den Fächern Latein und Mathematik am Ende des Projekts eine abschließende Klassenarbeit.
Ausgangspunkt für das Projektthema bildete eine Lehrbuchlektion des Lateinlehrwerkes sowie die Themen der Rahmenrichtlinien in den Fächern Deutsch und Mathematik. Im Wesentlichen sind die Übungsphasen (Anwendung der Ablativ-Funktionen, Übung der Prozentrechnung und Verfassen eines Berichts) in die Pro-jektarbeit verlagert worden.
5. Ausgangspunkt für das Unterrichtsprojekt ist das Klassenteam. Bevor er eine Klasse übernimmt, hat jeder Unterrichtende am Johanneum die Möglichkeit, sich ein Wunsch-Klassenkollegium zusammenzustellen. Diese Wünsche werden von der Schulleitung berücksichtigt. Jede Klasse erhält zudem eine Teamstunde in der Woche, in der Probleme der Klasse oder auch mögliche Unterrichtsprojekte besprochen werden können.
Auf einer solchen Teamsitzung wurde auch die Idee zu dem Projekt "Rom hin und zurück" geboren. Jedes Fach steuerte anschließend Aufgaben und Materialien bei, die dann aufeinander abgestimmt und zusammengestellt wurden. Zusätzlich wurde stets der Geschichtspunkt des Methodenlernens berücksichtigt. Daher sind die Aufgabenstellungen so konzipiert, dass die Schülerinnen und Schüler verschiedene Methoden anwenden und üben konnten.
Es sollte nicht übersehen werden, dass die Vorbereitung eines solchen Projekts für die Lehrkräfte im Vorfeld einen erheblichen Arbeitsaufwand bedeutet. Dafür werden die Kollegen und Kolleginnen während der Durchführung des Unterrichts-projekts entlastet, da Unterrichtsvorbereitungen weitgehend entfallen.
6. Folgende Ratschläge sind unserer Ansicht nach Kolleginnen und Kollegen zu geben, die beabsichtigen, Unterrichtsprojekte durchzuführen:
- Projektunterricht ausprobieren
Zuerst mit kleinen Unterrichtsprojekten, die sich auch auf ein Unterrichtsfach beschränken können, beginnen. Neue Unterrichtsformen wie Frei- und Wochenplanarbeit ausprobieren und Kolleginnen und Kollegen, die solche Unterrichtsformen in ihrem Unterricht bereits eingesetzt haben, nach ihren Erfah-rungen fragen.
- Beschränkung der Fächer
Drei Fächer sollten nach unseren Erfahrungen an einem fächerübergreifenden Unterrichtsprojekt teilnehmen. Diese Anzahl hat sich als praktikabel und als ei-ne überschaubare Größe erwiesen. Nehmen noch mehr Fächer an einem Pro-jekt teil, steigt der organisatorische Aufwand für alle Beteiligten stark an.
- Offenheit und Transparenz
Es ist ratsam, insbesondere kritische Kolleginnen und Kollegen während des Projektes in die Klassen einzuladen, auf Konferenzen über gesammelte Erfahrungen zu berichten und Materialien zur Verfügung zu stellen, um Vorurteile und Widerstände abzubauen. Dabei sollte auch stets betont werden, dass neue Unterrichtsformen nicht absolut zu setzen sind, sondern auch der traditionelle Unterricht weiterhin seine Berechtigung hat.
- Entlastung
Projektunterricht kann nicht nur die Eigenständigkeit und Teamfähigkeit der Schüler erhöhen und schwächeren Schülern zu vermehrten Erfolgserlebnissen in der Schule verhelfen, sondern auch die Lehrkräfte entlasten, da sie weitge-hend aus ihrer Kontroll- und Diszipinierungsfunktion entlassen werden.
- Prinzip der Freiwilligkeit
Alle Lehrkräfte sollten freiwillig und aus eigenem Interesse an einem Unterrichtsprojekt teilnehmen. Nur unter diesen Voraussetzungen werden auch positive Ergebnisse für Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Unterrichten-den zu erreichen sein.
Es sollte abschließend nicht vergessen werden, den Schulleiter, den Stundenplaner und die Eltern über ein geplantes Unterrichtsprojekt zu informieren. Man sollte sich im Klaren darüber sein, dass zwangsläufig kleinere Widerstände und Schwierigkeiten auftreten werden. Dadurch darf man sich nicht entmutigen lassen. Die Freude und die Begeisterungsfähigkeit, welche die Schülerinnen und Schüler bei dem Projekt haben, entschädigt für manchen Ärger.
7. Am Gymnasium herrschen bis heute noch weitgehend traditionelle Unterrichtsformen vor. Auf dem Hintergrund einer sich dramatisch verändernden Schülerschaft erscheinen neue Unterrichtsformen unausweichlich. Das vorliegende Unterrichtsprojekt zeigt hier einen möglichen und gangbaren Weg auf, auch fächerübergreifende Projekte während des normalen Unterrichtsbetriebs eines Gymnasiums erfolgreich durchzuführen und der Schulöffentlichkeit zu präsentieren.
Einen besonderen Gewinn sehen wir in der Tatsache, dass das Fach Mathematik in das Projekt miteingebunden wurde. Dieses Fach bleibt häufig bei fächerübergreifenden Projekten außen vor und gilt oft als nicht "projektfreundlich".
Webteam
Autor: Barbara Wierzyk Web: Gisela Müller Datum: November 2004. Letzte Änderung am 24.Februar 2005
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