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Gerhard Körner, Lüneburg von Südosten

Gerhard Körner, Lüneburg von Norden

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Theodor Dierks, Umgebung von Lüneburg


Es ist sonderbar, wie einzelne Städte in einen Ruf kommen, den sie doch durchaus nicht verdienen. Auch unserer alten ehrwürdigen Stadt Lüneburg geschieht in der Hinsicht großes Unrecht. Während man sie in geschichtlicher Hinsicht hochhält, mit gebührender Achtung von ihrem Alter, ihren ehemaligen Mauern und Wällen, von ihrer früheren Festung, von ihrer Würde als ehemalige Residenz eines Welfenzweiges, als Provinz- , wichtige Handels- und Hansestadt spricht, so glaubt man sie allgemein, ich möchte sagen in der ganzen Welt, in einer Art Wüste gelegen, die ganz und gar den Steppen in Rußland und Wüsten in Africa entspreche und beklagt die Leute, welche gezwungen sind ihren Aufenthalt in ihre Mauern zu verlegen. Man macht sich da aber einen sehr verkehrten Begriff.
Machen wir nun einmal mit dem, welcher mit solcher Meinung zu uns kommt einen Spaziergang um die Stadt. Nach Süden zu führen zwei Thore aus der Stadt, das Rothe Thor und westlich davon das Sülzthor. Suchen wir von Letzterem aus das Freie zu gewinnen so führt uns unser Weg an der Saline vorbei, von deren hohen Schornsteinen aus fortwährend hohe Rauchsäulen die Luft durchfurchen; dann treten wir durch das Thor und hier bietet sich dem Blicke zur linken gleich der Garten unserer Soolbadeanstalt dar, der genug Zeugniß von der Üppigkeit des Pflanzenwuchses ablegt und nicht verfehlen würde einen angenehmen Eindruck zu machen, wären nicht die Bäume und Sträucher alle schwarz geworden durch die Niederschläge aus dem Steinkohlenrauche der nahen Saline und Sodafabrik. Gehen wir etwas weiter, so finden wir uns freudig überrascht durch die herrliche Flur, welche sich nach beiden Seiten des vor uns fortlaufenden Weges ausbreitet. Keine Spur von Heide findet sich hier. Alles ist beackert und die Raine der Felder sind geschmückt mit dem farbigsten Grün. Unwiderstehlich treibt es uns weiter in dieser schönen Flur. In einer Entfernung von etwa einer halben Stunde erblicken wir ein Gehölz, die Rothe Schleuse, mit anmuthigen Plätzen und daher ein besuchter Vergnügungsort. Dorthin würden auch wir gehen, wenn wir uns schon von den herrlichen Gefilden trennen könnten. Wir lenken daher in den links abgehenden Fußsteig ein, der uns mitten durch die Felder führt. In der Richtung von Süden nach Norden schlängelt sich die Ilmenau mit ihren klaren Wellen durch den sie einfassenden grünen Wiesenteppich. Eine Menge kleiner Landhäuschen spiegeln sich nahe der Stadt in ihrem Wasser. Weiter den Fluß hinauf sehen wir wieder ein freundliches Hölzchen, nur der Fluß trennt uns noch von ihm; wir stehen da, wo sich unser Weg mit einem Baumgange von dem Rothen Thore her vereinigt. Wir betreten den Steg, welcher uns über die Ilmenau führt und befinden uns bald in einem prachtvollen Parke in welchem herrliche Anlagen und Baumgruppen wechseln. Es ist daher wohl natürlich, daß man hier stets eine Menge Besucher findet, besonders da man hier stets den Genuß eines Concertes hat, welches, wenn nicht von einem Lüneburger Musikcorps, so doch von den Vögeln gegeben wird. Doch wir wollen an diesem herrlichen Platze nicht länger verweilen und wenden uns daher nach Osten, wo wir in einen Baumgang kommen, der sich zuletzt mit einem anderen verbindet und ihn verfolgend, erblicken wir vor uns auf einer Anhöhe Kaltenmoor. Da begegnen wir einem kleinen, fast romantischem Bächlein und begleiten es in einen Garten von malerischer Schönheit. Hier beschatten uns bald mächtige Eichen, bald Obstbäume; bald bilden Linden, bald Syringen eine dichte Laube, welche uns einladet eine Schale dicke Milch, die hier in Kaltenmoor von vorzüglicher Güte ist, einzunehmen. Im Weitergehen befinden wir uns in einer anmuthigen Grotte, auf einer kleinen Insel, umgeben von einem Teiche und dann von dichtem Gebüsch und stolzen Eichen, die uns vor den Blicken der vorübergehenden Menge schützen. Verlassen wir Kaltenmoor aus der nördlich liegenden Pforte und folgen dem von dort ausgehenden Wege, so kommen wir an den Schierbrunnen, dessen Wasser fast die ganze Stadt mit Trinkwasser versorgt. Da wo dieser Graben endet stehen wir auf einer Anhöhe und erblicken zu unseren Füßen das Bette der Ilmenau, welches hier von Erlen eingefaßt und an beiden Seiten von Badeanstalten belebt wird. Unser Weg führt uns jetzt am Ziegelhofe vorbei, der einen freundlichen Eindruck macht. Die Zeit erlaubt es uns nicht ihn näher zu betrachten. Der Weg schlängelt sich von der Anhöhe sanft hinunter nach dem Altenbrücker Thore zu. Rechts von diesem Wege liegt der Bahnhof, der nichts Besonderes darbietet, denn er ist wie alle anderen Bahnhöfe angelegt, und seine Anlagen geben denen an anderen Orten nichts nach. Gehen wir den Bahnhof entlang, so sehen wir das Lüner Thor, aus dem fortwährend Spaziergänger strömen, welche mit uns in dem anmuthigen Baumgange, den nach beiden Seiten hin fruchtbare Gärten einschließen, fortgehen. Unser Weg führt uns bald an ein schönes Gehölz, in welchem sich gar Mancher täglich und oft wohl stundenlang aufhält und welches dennoch in uns neue Reitze für ihn entfaltet. Unser Auge jedoch ist schon lange gefesselt durch das freund- lich daher scheinende Kirchthürmchen mit den es einschließenden rothen Dächern, den Lünerklostergebäuden, welche uns mit ihrer ausgzeichneten Umgebung ein hübsches Gemälde darstellen. Gehen wir nun über den Hof der hier gleichfalls liegenden Domaine, so kommen wir, wenn wir uns nach Süden wenden auf einen großen grünen Anger, welcher zum Exercierplatze benutzt wird. Zur rechten liegt hier etwas erhöht die Cavaleriekaserne. Wir wandeln nun am Ufer des Lösegrabens entlang dem Lüner Thore wieder zu und begeben uns zu dem nach Norden liegenden Bardewicker Thore. Vor diesem treten uns große Fabricken entgegen, aus deren rauchenden Schornsteinen man schon auf die rege Thätigkeit in den Werkstätten schließen kann. Sind wir an diesen Gebäuden vorüber, so besteigen wir die Anhöhe, welche sich vor uns erhebt, den Zeltberg. Dieser Berg besteht aus mächtigen Kreidelagern, welche eifrig ausgebeutet werden. Vom Zeltberge aus sehen wir daß Lüneburg in einer Niederung liegt, die von Norden und Westen von Hügeln begrenzt wird und ( durch) welche sich von Süden nach Norden die Ilmenau schlängelt. Wohin von hier aus auch unsere Blicke späen, erblicken wir doch allethalben nur gut angebautes Land.
Wir müssen nun noch um unsern Spaziergang zu beenden, auf die Westseite der Stadt gehen. Der berühmte Kalkberg, der dort liegt, giebt uns wohl den geeignetesten Punkt, uns eine Vorstellung von der Umgebung Lüneburgs nach dieser Seite hin zu verschaffen. Besteigen wir den Berg und treten an den Westrand desselben. Wir sehen hier den Felsenabhang steil und schroff hinabstürzen. Das graue Gestein tritt offen zu Tage und einige schroffe Spitzen ragen hervor. Dies ist auch die Seite, an welcher der Kalk gebrochen wird, wo bei gutem Wetter von früh bis spät die Gefangenen die saure Arbeit verrichten, indem ein Theil das Gestein losbricht und ein anderer es auf Karren in die jenseits des Bruches gelegene Mühle fährt. Jenseits der Kalkgrube liegt eine Art Vorstadt, der Grimm. Dieser zieht sich sich eine ganze Strecke parallel mit dem Kalkberge von der Harburger Chaussee nach Süden hin und gewährt besonders im Sommer einen angenehmen Anblick auf die rothen Dächer, welche durch das Grün der Bäume hervorscheinen. Etwas nördlich von dem Grimm sehen wir einige in einem kleinen Eichenwalde versteckt liegende Gebäude, welche mit dem Namen Mönchsgarten benannt werden. Es ist dies ein sehr beliebter und viel besuchter Vergnügungsort. Südwestlich vom Kalkberge sehen wir eine Windmühle, die zu den daneben liegenden städtischen Kalkbrüchen gehört. Damit ist unser Spaziergang beendigt, und wer uns begleitet hat, wird gesehen haben, daß die Umgebung von Lüneburg keineswegs abschreckend ist. Hat er besonderen Abscheu vor der Lüneburger Heide, so können wir ihm zu seiner Beruhigung sagen, daß er Stunden weit gehen muß, um eines dieser unschuldigen Heideblümlein zu erblicken.

Lüneburg, den 20. März 1862

Theodor Dierks


nach oben Autor: Theodor Dierks Web: Gisela Müller Datum April 2003. Letzte Änderung am 29. April 2004
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