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Wilhelm Ehlers, Der Marsch. Lüneburg, im Februar 1861


In jener Zeit, wo unser armes deutsches Vaterland sich vor dem Willen des fremden herrschsüchtigen Eroberers Napoleon beugen musste und alle Kräfte aufgeboten wurden, um das Joch des verhaßten Mannes abzuschütteln, sandte auch unser Landesherr Ernst August seine tapferen Krieger zu der Befreiung Deutschlands den Franzosen entgegen. Unter dem Heere, das er zum Bundesheere stoßen ließ, war auch das 5te Infanterieregiment, welches in Lüneburg stand. Es wurden nun die mannigfaltigsten Vorbereitungen zum Abmarsche, der auf den 15. Juli festgestellt war, getroffen, denn obgleich alle Soldaten seit Zeit schon sich bereitgehalten hatten, dem Befehle des Königs gemäß, auszurücken, so verging doch eine geraume Zeit. Sämtliches Kriegsmaterial erblindete entweder oder wurde schmutzig und musste deshalb von neuem gereinigt werden. Am Abend des 14. Juli fand eine allgemeine Versammlung auf dem Marktplatze statt, welcher prachtvoll illuminiert und mit Menschen übersät war, die in großen Massen hin und her wogten. Um 9 Uhr hielt der Major eine Rede, in der er die Soldaten zur Tapferkeit und Beharrlichkeit im Kriege ermahnte, aber auch zugleich die Gefahren und Beschwerden schilderte, denen ein Krieger im Felde unterworfen sei. Die Versammlung wurde bald darauf aufgehoben, nachdem zuvor noch ein Zapfenstreich geschlagen war, und jeder kehrte nach seiner Wohnung zurück. In den Häusern herrschte bis in die Nacht hinein reges Leben, während es in den Gassen und auf den Plätzen allmählich still wurde. In einem Dachstübchen saßen Krieger bei spärlichem Lampenschein. Die Gruppe hatte sich um einen bärtigen Veteranen gelagert, der schon die Schlachten bei Aspern und Wagram mitgemacht hatte und den großen russischen Feldzug, aus dem er besonders viel seinen Kameraden, die ihm die gespannte Aufmerksamkeit schenkten, zu erzählen wußte; besonders brachten seine eigenen Kriegserlebnisse einen großen Eindruck auf die Milchbärte hervor. Die, welche an seinen Erzählungen keinen Teil nahmen, beschäftigten sich mit den Waffen, indem sie noch Verschiedenes daran auszubessern fanden, während andere entweder Briefe an ihre Lieben in der Heimat schrieben, und den baldigen Abmarsch meldeten, oder ruhig in einer Ecke eine Pfeife schmauchten und leise Kriegslieder vor sich hinträllerten. Es war dies ein Bild von soldatischem Fleiß und Gemütlichkeit. Hatte die Tätigkeit der Soldaten zuletzt ruhen müssen, nicht weil die Lampe schon nahe am Erlöschen war, sondern um dem Schlafe, der sich (sic!) mit unwiderstehbarer Gewalt an sich zog, Platz zu machen, so hatte sie dieser doch nur auf wenige Stunden erquickt, denn schon um 4 Uhr morgens sah man die Soldaten damit beschäftigt, Tornister zu schnüren, welcher schon am gestrigen Abend von der sorgsamen Hausfrau mit Lebensmitteln versorgt war. Wohl mancher Krieger mochte in vergangener Nacht von Schlachtgewühl, Sieg und hohen Ehrenstellen, die ihm durch Tapferkeit zugeteilt worden wären, geträumt haben. Aber auch manchem wurde durch den Zauber des Traumes verkündigt, daß sie das Los von derer teilen sollten, nämlich von einer Kugel durchbohrt zu werden und den schönen Tod fürs Vaterland zu sterben. Die Soldaten sprachen sich nun vielfach über den Marsch und die Beschwerden desselben aus und fragten ältere erfahrene Krieger, ob sie nicht Recht hätten, daß ein anfallender Marsch in schlechten und regnichten Tagen langwierig und erschöpfend sei, worauf jene die Frage natürlich bejahten. Trotz dem wohlgemeinten Ausspruche, den die Krieger den Rekruten gaben, gab es doch mehrere, die sich nichts daraus machten, sondern einen Marsch für einen Spaziergang hielten und recht sehnlich den Zeitpunkt des Abmarsches herbeiwünschten, um dann zu zeigen, daß sie Recht hätten. Endlich schlug die ersehnte Stunde! Jeder eilte, von den lieben Leuten, bei denen sie in Quartier gelegen hatten, Abschied zu nehmen und wohl manche Träne mochte verstohlen hinter dem Dahineilenden, den die Trommel jetzt zur Versammlung auf den Marktplatz rief, abgewischt sein. Die Jugend Lüneburgs hatte sich schon ein paar Stunden vorher hier versammelt, um den Soldaten eine Strecke mit das Geleit zu geben. Nachdem die ..... sich in Reih und Glied gestellt hatten, fing es unter klingender Musik, begleitet von der jubelnden Kinderschar, durchs Sülztor zur Stadt hinaus. Die Wachen mußten, außer der Neuenthorswache, die mit Soldaten besetzt blieb, von den Bürgern bezogen werden. - In der ersten Zeit des Marsches fielen keine besonderen Ereignisse vor; die Soldaten sangen lustige Lieder und schienen durchaus keine Müdigkeit zu kennen; dazu war das schönste Wetter, so daß nichts zu wünschen übrigblieb, als Ausdauer der Mannschaft. In Bienenbüttel sollte der erste Ruheplatz sein, doch eingetretener Hindernisse halber fand man ihn schon in Grünhagen; denn noch als man nach letzterem Orte kam, verfinsterte sich plötzlich der Himmel, schwarze Regenwolken jagten an der Sonne vorüber und drohten ihr Wasser herabzugießen. Man ging jetzt mit verdoppeltem Schritte, aber was man fürchtete, geschah; schon nach einigen Minuten fielen Regentropfen und bald regnete und stürmte es dergestalt, daß die Landstraße in kurzer Zeit mit Wasser überdeckt war. Der lustige Gesang und das fröhliche Schwatzen schwieg, und die eintretende Stille wurde nur durch die monotonen Schritte der Marschierenden und das Kommando der Offiziere unterbrochen. Noch immer tobte das Unwetter in gleicher Stärke fort, zerknickte die schwachen Bäume und warf die abgebrochenen Äste auf die Landstraße, und noch war Grünhagen nicht erreicht. Um den Weg abzukürzen, wich man von der Landstraße ab und folgte einem Seitenpfade, der sich rechts zwischen Wald und Sumpf hinschlängelte und nach der Aussage einiger, in dieser Gegend wohnender Soldaten den Marsch nach Grünhagen um ½ Stunde verkürzte. Natürlich war dies nicht zu verachten, allein man hatte nicht daran gedacht, daß dieser Weg noch viel schmutziger und unwegsamer sein müßte, als die gepflasterte Landstraße. Die halbe Stunde ist den Soldaten noch länger vorgekommen, als eine ganze, denn das vielfache Klagen und Stöhnen, welches deutlich die Ermattung und Erschöpfung zeigte, bewies dieses genugsam. Jetzt trat den Marschierenden ein unvorhergesehenes Ereignis in den Weg; es war nämlich ganz über dem Wege eine mit Wasser gefüllte Vertiefung, die sich grabenmäßig von rechts herabziehend, in einem Sumpfe verlor. Links, beim Sumpfe hin war kein Übergang zu finden, weshalb er rechts zu suchen war; bald hatte man eine Stelle gefunden, welche am passendsten von allen Übergängen war; zwar mußte man durch Wasser waten, welches wenigstens bis zum Knie reichte, allein, was war dagegen zu machen? Waren auf diesem Unglückswege vorher schon Mehrere ermüdet, so kam dieses jetzt mehr als jemals, so daß Einige, die ganz und gar erschöpft waren, auf Wagen steigen mußten, wobei unsere Soldaten trotz der Stimmung, die überall herrschte, es nicht an witzigen Reden fehlen ließen; besonders befanden sich unter den Müden diejenigen, welche sich in Lüneburg mit großen Worten gebrüstet hatten. Aber auch an wackrer kameradschaftlicher Freundschaft mehrerer fehlte es nicht, denn, obgleich selbst ermüdet, nahmen sie doch anderen, welche sich schämten, ihre Müdigkeit offen zu gestehen, ihre Gewehre oder Tornister ab. Inzwischen hatte das Ungestüm von Wetter bedeutend nachgelassen, es regnete fast gar nicht mehr, und die erwärmenden Strahlen der Sonne schienen die matten Soldaten für alles Ungemach entschädigen zu wollen; dazu kam noch, als man einen Wald passiert hatte, der Anblick Grünhagens, welches die Ermüdeten in seine freundlichen Häuser zur Ruhe einladete (sic!). Die Soldaten wurden solange im Dorfe gelassen, bis sie sich ordentlich erholt , die Kleider am Feuer getrocknet und etwas genossen hatten. Als darauf die Trompete erschallte, eilte Jeder nun gestärkt nach dem Versammlungsplatze unter einer großen Linde vor dem Dorfe, um den Marsch wieder aufzunehmen. Aber wie ganz anders sah das Wetter nun aus! Kein Tropfen Regen fiel mehr; die ganze Natur war wie belebt. An den Grashalmen glänzten die Überbleibsel des furchtbaren Regens. Der Himmelsdom war mit Azurblau übergossen. Die Atmosphäre war von den ungesunden Dünsten befreit und wurde mit Entzücken eingeatmet. Die Vögel sangen; die Heimchen zirpten. Kurzum, alles war verwandelt und wer nicht selbst das grausige Unwetter mit erlebt hätte, würde es gar nicht glauben, daß vor diesem ein solcher Elementenaufruhr in der Natur habe statt finden können. Allgemeine Munterkeit herrschte beim Abmarsch vor; die Offiziere unterhielten sich, lachten und scherzten über die große Gefahr, der sie entgangen wären; die Soldaten sangen, machten Späße und Schwänke. Keiner klagte mehr über die Müdigkeit, denn ließ der eine oder andere etwas davon hören, so waren seine beiden Nachbarn gleich so freundlich, ihm ein probates Heilmittel in der Art von Rippenstößen zu geben. So schritt das Regiment rüstig weiter, durch Wald, Flur und Feld, bis ihm nach einem vierstündigen Marsche im Gute Hoystorf eine Ruhe von 10 Minuten gegönnt wurde. Es mochte ungefähr 5 Uhr Nachmittag sein, als aufgebrochen wurde, so daß man also ganz bequem nach dem 1 ½ Meilen entfernten Ülzen, welches zum Nachquartier bestimmt war, gelangen konnte. Man kann sich nicht wundern, wenn der Gedanke, bald in einem Quartier ausruhen zu dürfen, die Soldaten einen schnelleren Marschtritt annehmen ließ, so daß um 6 ½ Uhr die Einwohner Ülzens die Freude hatten, das IV Regiment in ihre Town einziehen zu sehen.

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nach oben Autor: Wilhelm Ehlers Web: Gisela Müller Datum April 2003. Letzte Änderung am 29. April 2003
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