1834-1884 Fünfzig Jahre Realklassen des Johanneums
aus der Sicht ihres ersten Hauptlehrers Carl Kühns (1808-1888)
Kühns' Fähigkeiten, dennoch eine Beschwerde
1872 reist Carl Kühns nach Lothringen zu seiner Tochter und hat auf dieser Reise jenes Erlebnis, von dem einer seiner Schüler in Erinnerung an seinen Französischunterricht später berichtet21: "Eine andere kleine Geschichte pflegte er (Carl Kühns) selbst gern zu erzählen. Er hatte einmal eine Reise nach Metz - sprich: à Meß - gemacht und war auf der Bahnfahrt in Lothringen mit einem Herrn in ein französisches Gespräch gekommen. In dessen Verlauf hatte der Fremde ihm das Kompliment gemacht: 'Mein Herr, Sie sprechen ein ganz vorzügliches Französisch! Sie sind gewiß der berühmte Professor Ploetz!' Daß er für den von ihm hochgeschätzten Verfasser der damals allgemein gebrauchten französischen Lehrbücher gehalten wurde, war ihm eine lieblich eingehende Schmeichelei gewesen."
Das Programm des Johanneums von Ostern 1877 bringt einen Artikel von Carl Kühns "Molière" in französischer Sprache, gibt aber gleichzeitig auch davon Kenntnis, daß der Unterricht im verflossenen Schuljahr "durch eine längere, von einem Fall herrührende Erkrankung des Oberlehrers und Inspectors Kühns unterbrochen" gewesen sei22.
Im darauf folgenden Jahr erhält Carl Kühns ein Schreiben, das leider im Original nicht erhalten ist und nur aus dem Verzeichnis seiner Personalakte zitiert werden kann. Hierin bezieht sich unter dem Datum vom 22. Januar 1878 der preußische Kultusminister Falk auf eine "Beschwerdesache des p. Goedecker gegen die Direktion des Johanneums". Danach habe Carl Kühns die schriftlichen Prüfungssachen der Abiturienten zu gründlich vorbereitet. Der Minister spricht eine "ernstliche Mißbilligung" aus23. Wer mit "p. Goedecker" gemeint ist, läßt sich unschwer vermuten. Im Lehrerkollegium24 befindet sich von Ostern 1870 bis Ostern 1878 Dr. Ernst Friedrich Heinrich Gödecker, der für mathematischen Unterricht in den mittleren Realklassen zuständig ist25.
Carl Kühns gibt in seinem 72. Lebensjahr immer noch 12 Stunden Französisch und 7 Stunden Arithmetik und leitet am 23. März 1880 die Prüfung der Realprima in Französisch26. Durch eine amtliche Verfügung vom 31. März 1882 findet eine erhebliche Änderung der Lehrpläne am Johanneum statt, und die bisherige Realschule wird in diesem Zusammenhang in "Realgymnasium" umbenannt27.
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21. Gustav Penseler: Lehrergestalten vom Lüneburger Realgymnasium. In: 8. Bericht der Vereinigung ehemaliger Schüler des Johanneums zu Lüneburg. 1934 (Stadtarchiv Lüneburg)
22. Programm des Johanneums zu Lüneburg. Ostern 1877. Lüneburg 1877 (Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Signatur As 1282 a)
23. Schreiben 22.01.1878 des preußischen Kultusministers in Berlin, Falk, an Kühns in der "Beschwerdesache des p. Goedecker gegen die Direktion des Johanneums". (Aus dem Verzeichnis der in der Personalakte von Carl Kühns enthaltenen Schriftstücke. Die Personalakte selbst ist unter dem im Verzeichnis angegebenen Aktenzeichen nicht mehr auffindbar.)
24. Die Leiter und Lehrer des Johanneums (1806-1906). In: Festschrift zur 500jährigen Jubelfeier des Johanneums zu Lüneburg 26. bis 28. September 1906. Lüneburg 1906
25. Programm des Johanneums zu Lüneburg. Ostern 1870. Lüneburg 1870 (Stadtarchiv Lüneburg)
26. Programm des Johanneums zu Lüneburg. Ostern 1880. Lüneburg 1880 (Stadtarchiv Lüneburg)
27. Dr. F. Kohlrausch (Rektor): Kurze Geschichte der Realschule seit 1865. In: Programm des Johanneums zu Lüneburg zur Feier des funfzigjährigen Bestehens der Realschule und der funfzigjährigen Amtsthätigkeit des Oberlehrers und Inspektors Karl Friedrich August Kühns am 15. Oktober 1884. Lüneburg 1884
Autor: Walter Kühns (Urgroßenkel), Web: Gisela Müller
Datum Februar 2004. Letzte Änderung am 27. Mai 2004
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