Informationssystemsystem Johanneum Lüneburg Alphabetischer Index unten
Informationssystem
Fächer  Deutsch  Kafka

Franz Kafka: "Der Verschollene", Roman

Das Motiv der Sexualität

 

In Franz Kafkas frühestem Roman „Der Verschollene“ kommt der Sexualität eine zentrale Rolle hinsichtlich der Ausarbeitung des beherrschenden Romanthemas zu, nämlich der schicksalhaften Verstrickung in Schuld und dem daraus resultierenden schrittweisen Abstieg des Protagonisten Karl Roßmann.

Karl durchleidet im Verlauf der Handlung leicht variiert stets den gleichen Ereigniskreis: Aus der relativen Sicherheit eines geordneten Umfeldes, gekennzeichnet durch festen Wohnsitz, finanzielle Absicherung durch eine Anstellung sowie nicht zuletzt durch sein Eingebettetsein in tatsächliche oder ihrem Charakter nach familiäre Strukturen, wird er ohne eigenes Zutun durch Zufall oder Schicksal, also „schuldlos“ schuldig geworden in den Augen der jeweiligen Vaterfigur, vertrieben, um, nach einer des Suchens und der Wanderschaft, erneut in ähnlich gegliederte, wenn auch gesellschaftlich niedriger stehende Verhältnisse einzutreten.

In wenigstens zwei Fällen ist sexueller Kontakt zu Frauen Ursache einer solchen Vertreibung. Bereits im ersten Satz des Romans wird berichtet, Karl sei von seinen Eltern nach Amerika geschickt worden, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen habe. Die später im Kapitel folgende detaillierte Beschreibung dieser Verführung weist Roßmann als kindlich-naives Opfer aus, das dem Geschlechtsakt mit der Hausangestellten teils verwirrt, teils angeekelt erlebt, trotzdem aber schuldig gesprochen und grausam bestraft wird.

Hier drängt sich die Parallele zur biblischen Geschichte vom Sündenfall auf, in der ebenfalls ein durch die Frau verführter „Sohn“ vom „Vater“ in die Verbannung geschickt wird.

Kafka allerdings erweitert den Figurenkanon der Bibel noch um die Gestalt der Mutter, die sich später in Pollunder und der Oberköchin wiederfindet.

Pollunder, der die Mutterrolle während Karls Aufenthalt bei seinem reichen Onkel in New York übernimmt, ist im Gegensatz zu diesem als Vater fungierenden Verwandten weich, nachgiebig, Karl zugewandt und für ihn erreichbar sowie stets auf dessen emotionales Wohl bedacht, kann aber die eneute Verbannung nicht verhindern, da er offene Opposition zum Onkel (als Vater) nicht einnehmen will oder kann.

Zum zweiten mal wird Karl in dieser Figurenkonstellation eine Frau zum Verhängnis, Pollunders Tochter Klara nämlich. Ihr Wille ist es, der den Ausschlag zur Annahme der Einladung auf Pollunders Landhaus gibt, sie allein hält Karl trotz Greens unerwarteten Auftretens dort zurück, sie ist es, von der Karl sich verabschieden muß, nachdem er den Entschluß zur Abreise getroffen hat, und sie hält ihn schließlich so lange gegen seinen Willen in ihrem Zimmer zurück, bis die vom Onkel gesetzte Frist endgültig verstrichen ist.

Klaras sexuelle Avancen an Karl sind, wo nicht für ihn, so doch für den Leser klar erkennbar, etwa in ihrer Kleidung oder in ihrer Ungeduld, mit Karl auf ihr Zimmer zu gehen. Zu direkten sexuellen Handlungen kommt es zwischen den beiden zwar nicht, jedoch ereignet sich in Karls Zimmer ein skurriler Ringkampf mit deutlich sexuellen Untertönen, in dem Karl der Unterlegene bleibt und wiederum, ähnlich wie mit dem Dienstmädchen, weibliche Sexualität als bedrohlichen, gewalttätigen Angriff mit Vergewaltigungscharakter erlebt.

Die Bedrohlichkeit des Weiblichen steigert sich umgekehrt proportional zu Karls sozialem Abstieg. Am Ende des Romans steht die Begegnung mit Brunelda ....


Verantwortung: Jasper Nicolaisen

nahKafka Leitseite nahMotiv der Autorität nahMotiv der Arbeit
nahMotiv der Technik intern Motiv der Sexualität nahreligiöse Elemente



obenAutor: Jasper Abi 98.  Datum: 25. 10. 97 Letzte Änderung am 15 Feb 99
Informationssystem [Fächer] [Deutsch] [Kafka] [Webteam] [Email s.Ueberblick] [ExposystemSchulentwicklung