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Fächer    Griechisch

Die Ziele des Griechischunterrichts

     Der heutige Griechischunterricht am Johanneum ist neben den bekannten Zielen der Schulung des Geistes und der Ausbildung und Förderung wissenschaftspropädeutischer Fähigkeiten und Fertigkeiten vor allem auf ,,historische Kommunikation" angelegt: Er beschränkt sich nicht auf den Nachvollzug und das Verstehen der kulturellen, philosophischen und wissenschaftlichen Leistungen der Griechen, sondern setzt sich mit ihnen kritisch auseinander und versteht sich als Grundlage für die Deutung und Bewältigung heutiger Aufgaben und Probleme.

Unsere Schüler und Schülerinnen sollen erkennen, daß der Umgang mit den Griechen und ihren Werken sich lohnt:


  1. Bildungswerte intensiver Textarbeit an unvergänglichen Werken der Weltliteratur
  2. Sich der eigenen Herkunft und des eigenen Wesens bewußt werden
    Die Schüler und Schülerinnen lernen die Wiege der europäischen Kultur, die Grundlagen unserer Demokratie und die Wurzeln unseres Denkens kennen, die bekanntlich in der griechischen Kunst, Dichtung, Philosophie und im Christentum liegen.(1) Sie können sich dadurch der eigenen Herkunft und sogar des eigenen Wesens bewußt werden: Auf den zuletztgenannten Vorteil weist insbesondere der Konstanzer Philosoph J.Mittelstrass, Die Modernität der Antike, Konstanz 1986, S.31, hin:
    ,,Im Kern kommt es darauf an, zu begreifen, daß in der Geschichte des griechischen Denkens ein wesentliches Stück unseres eigenen Selbstverständnisses beschlossen liegt. Denn: wenn es richtig ist, daß (...) unsere Form des Denkens durch die griechische Form des Denkens festgelegt ist, dann erforschen wir uns in Wahrheit selbst, wenn wir das griechische Denken erforschen.(...) In der Sprache der griechischen Philosophie formuliert: der Anfang ist das Wesen - der griechische Anfang des vernünftigen Denkens ist sein Wesen.(...)
    Die Modernität der Antike, insbsondere der griechischen Antike, ist nichts Modisches, das kommt und geht; sie ist ihre faktische Gegenwart."
  3. AkropolisAbstand zu sich und der erlebten Wirklichkeit gewinnen
    Der Umgang mit den Griechen versetzt die Schüler und Schülerinnen in die Lage, sich nicht nur der eigenen Herkunft bewußt zu werden (s.o.), sondern auch - in umgekehrter Richtung - eine kritische Distanz zu sich und zur erlebten Wirklichkeit zu gewinnen: Das Griechische hat dabei gegenüber anderen Sprachen den entscheidenden Vorteil, daß wir unsere Gegenwart von unseren eigenen Ursprüngen her betrachten können. Die Antike dachte in vielen Bereichen anders als die Moderne (vgl. z.B. die gegensätzlichen Naturauffassungen). Wenn man die Einzigartigkeit der antiken Welt ernstnimmt, kommt man in einen konstruktiven Dialog mit ihr und gewinnt, da dieser die Probleme sichtbar und verständlich macht, Kritikfähigkeit und Urteilsvermögen; das sind Vorzüge, die bei der Bewältigung von Gegenwartsaufgaben sehr nützlich sein können.
  4. Grundfragen menschlicher Existenz
    Kein Volk hat sich intensiver mit dem Phänomen des Menschlichen auseinandergesetzt als das kleine Volk der Griechen. Selbst die Darstellung der Frau mutet modern an: Mit Antigone und Medea z.B. treten Frauen auf, die sich Ungerechtigkeiten nicht gefallen lassen, sondern sich - zu Recht und mit heute noch nachvollziehbaren Mitteln - wehren. Gerade in diesem Bereich der menschlichen Grundfragen haben die Griechen die Probleme und die Lösungen so gestaltet, daß wir bei ihnen gar nicht auslernen können.
  5. Charakteristische Denkstrukturen
    Die Griechen haben Denk- und Argumentationsweisen entdeckt, die für unser auf wissenschaftlicher Rationalität beruhendes Denken grundlegend geworden und von hohem pädagogischen Wert sind und darüberhinaus Jugendliche geradezu faszinieren können.
  6. LapithitiaAn den Küsten des Lichts: Das Streben der Griechen nach dem ,,Schönen"

    Der den Griechen eigentümliche Zug zur ,,Schönheit" vermag bei den Schülern und Schülerinnen ästhetisches Wahrnehmungsvermögen auszubilden und Freude am ,,Schönen" zu wecken: Dazu tragen nicht nur der Zauber des Anfangs, die Aktualität, Lebendigkeit und die besondere künstlerische Vollendung und Schönheit der griechischen Schöpfungen in Philosophie und Literatur, in Architektur, Plastik und Malerei bei, sondern auch persönliche Erlebnisse auf Reisen und Studienfahrten nach Hellas. (4)
    Bild: Lapithitia
  7. Der spezifische Bildungswert der griechischen Sprache
    Auch die griechische Sprache selbst und der Umgang mit ihr besitzen einen spezifischen Bildungswert: Die Schüler und Schülerinnen erfahren, daß das Griechische das Lateinische nicht doppelt. Es führt nicht nur in andere Inhalte, sondern auch in eine andere Sprache mit einer anderen Denkleistung beim Übersetzen. Das Lateinische ist eine verschlüsselte Sprache, die Entschlüsselung vollzieht sich beim Übersetzen immer nur in Kenntnis des Ganzen.
    Das Griechische setzt von Anfang an kleine Signale, sprachlich wird dabei viel mehr als im Lateinischen festgelegt. Im Gegensatz zur Kürze und dem mehr lenkenden Charakter des Lateinischen erzieht das farben- und nuancenreichere und ausgeglichenere Griechisch zu dialektischem Denken und zu einer neuen Sprachkompetenz. Durch einen mehrjährigen Griechischunterricht prägt sich vor allem das für die griechische Sprache besonders charakteristische Stilprinzip der antithetischen Denkstruktur ein. Eine solche ist von Beginn der sprachlichen Überlieferung an nicht nur gedanklich, sondern auch sprachlich vorhanden. Das Griechische wird nur von außen, nicht von innen her vergessen.
  8. Die unerschöpfliche Aussagekraft des griechischen Mythos. Das Fortwirken griechischer Mythen in der Moderne
    Die Schüler und Schülerinnen erhalten Einblicke in das Nachwirken Griechenlands bis in unsere Zeit und können z.B.literarische Neugestaltungen griechischer Mythen auf der Grundlage griechischer Vorlagen leichter und tiefer verstehen: Die Schüler und Schülerinnen lernen nicht nur die Aktualität und Lebendigkeit, sondern auch die unerschöpfliche Aussagekraft des griechischen Mythos, seine Ambivalenz und Vieldeutigkeit, kennen. Die Mythen sind veränderbar. An ihnen wurden und werden Probleme menschlicher Existenz immer wieder neu, d.h. dem jeweiligen Zeitgeist entsprechend dargestellt. Für moderne Umformungen griechischer Mythen verweisen wir beispielhaft auf die Autoren Heiner Müller und Christa Wolf, ferner auf die zahlreichen Neuinterpretationen und Neugestaltungen des Odysseus-Mythos von der Antike bis zur Gegenwart und die Umwandlung des Oedipus-Mythos der Tragödie bei Sophokles in die Form der Komödie bei H.v.Kleist im ,,Zerbrochenen Krug".
    Anmerkungen:
    1. Im Griechischunterricht führen wir die Schüler und Schülerinnen unmittelbar an die Wurzeln unserer Gegenwart, während sie im Lateinunterricht die Ergebnisse der ersten Auseinandersetzung eines Volkes mit der griechischen Kultur erfahren (vgl. Horaz, epist.II,1, 156 f.: Graecia capta ferum victorem cepit et artes/ intulit agresti Latio = Das bezwungene Griechenland besiegte seinen wilden Besieger und brachte dem bäurischen Latium die Künste).
    2. Verlag Dr.H.Paschotta, Plakat A 100, Die Antike, Jork 1999
    3. H.Gundert, Griechische Bildung in der heutigen Gesellschaft, Beilage zu ,,Der altsprachliche Unterricht", Reihe XIV, Heft 5, 1971, S.17
    4. siehe den Bericht über die Studienfahrt des Johanneums nach Griechenland im Jahre 1993

    Dr. Werner Meincke
    Lüneburg, 19.Juli 1999

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    obenAutor: Dr. Werner Meincke, Web: Kai Lorenz Freund Abi 99, Ruth Bechstedt
    Datum: Juli 99. Letzte Änderung am 29. Januar 2000
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