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KZ Auschwitz und Birkenau

Was genau ist Birkenau? Ein netter kleiner Reim! Aber was genau ist die Antwort?
Wir fuhren einst von Krakau aus Richtung KZ. Wir fuhren nicht in einem Massentransporter wie Vieh, wir fuhren in einem Van. Gemütlich war's, lustig war's, doch als wir das Gelände befuhren, war's dennoch anders. Begrüßt wurden wir von einem himmlerischen Wetter, Regen. Damals, zur "Blütezeit" der Konzentrationslager, waren die Böden nie trocken, sei es nun Wasser gewesen oder Blut, stets war es nass. Und ich kann mich wohl zu den Glücklichen schätzen dieses Damals nie erlebt zu haben, also warum erzähl ich eigentlich diese deprimierende Geschichte?
Ich bin Deutscher. Und obwohl ich als Aussiedler sicher sein kann, dass sich meine Ahnen nicht an diesem menschenverachtendem Verbrechen schuldig gemacht haben, gehöre ich dennoch zum deutschen Volk. "Ein Volk, eine Seele, ein Führer." Damals! Aber dieses Damals darf sich einfach nicht wiederholen und darf auch nicht in Vergessenheit geraten. Also schreibe ich sowohl für den Rest der Welt als auch für Frau Müller, die mich dazu angestiftet hat, diese Geschichte.
Wie gesagt, es fing an zu regnen und die ersten Schritte aus dem Van heraus galten einem Boden, der nicht mit Leichen übersät war. Museum Auschwitz - Stammlager. Ein heute erbauter Komplex als Eingang. Glaub ich! Alles sieht pingelig fein aus, selbst die Toiletten waren auf dem neuesten Stand. Eine kleine Rast, eine Pinkelpause - absolute Normalität, bevor wir uns der Vergangenheit unserer Vätergeneration stellten, dem Damals, aber auch der Vergangenheit der Juden.
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Wir gingen durch ein Tor. "Arbeit macht frei" stand drauf. Dieses Tor gehörte zu einer doppelten Stacheldrahtmauer, die mit Starkstrom gefüttert, mit Gewehrkugeln bewacht und für die Isolation von Juden gedacht war. Wie kann hier Arbeit frei machen? Jeder normale Mensch arbeitet um zu leben. Der Deutsche lebt, um zu arbeiten. Und der Jude arbeitete, um zu sterben! Wir gingen also durch die Straßen von Auschwitz. Hier konnte ich mir sicher sein, dass auf jedem Quadratmeter mindestens ein Jude starb. Inzwischen wachsen vereinzelnd sogar ein paar Bäume, an den Straßen symmetrisch angelegt. Aber die hässlichen Baracken bleiben immer noch die alten. Backsteingebilde, die genauso kalt aussehen, wie sie wohl auch sind. Nummeriert oder alphabetisch angelegt? Ich weiß es nicht mehr, ich hab es wohl vergessen. Als wir eines dieser Gebäude betraten, sahen wir Berge, Berge von Koffern, Zahnbürsten, Kleidern... Haaren. Die Juden wurden bei ihrer Ankunft kahl rasiert, der Rest durfte seine Kopfpracht behalten. Wären wir in dem Damals angekommen, hätten wir wohl auch Berge von Leichen gesehen. Als wir in ein anderes Backsteinhaus gingen, sahen wir die Wände behangen mit Bildern der Verurteilten. Man sah deren Leben in ihren Gesichtern und man war als Deutscher umgeben von starrenden, kurz vor dem Tod stehenden Augen. Schuld? Nein, ich habe keine Schuld gespürt, aber ich war dennoch schuldig. Irgend einen Grund hatte ich bestimmt. Wir sahen auch Denkmäler, alles dünne, in Bronze gefasste, leicht schimmernde Gestalten. Und wir sahen Modelle von den Krematorien. Wir sahen viel, doch schließlich endete unsere Besichtigung und unsere Gesichtsmuskel entspannten sich wieder.
Auf der Fahrt ins nächste KZ wurde sogar gelacht.
Die Fahrt galt Birkenau. Das berühmte Bild von den beiden Gleisen erstreckte sich vor uns. Birkenau war noch unmenschlicher, sagen wir mal lieber arischer als Auschwitz. Keine angelegten Bäume, keine Backsteinbaracken, sondern Holzscheunen ähnliche Behausungen fanden wir vor (genannt Pferdeställe). Ich möchte sie gar nicht erst beschreiben, in einigen Jahren habe ich sie eh vergessen.
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Birkenau war das Maß aller Dinge. Der größte Schandfleck der deutschen Architektur. Überall standen hölzerne Wachtürme herum und Pfähle reichten aneinandergereiht bis zum Horizont hin. Wir gingen zuerst in einen der Pferdeställe und anschließend durch Birkenau hindurch. Am anderen Ende war sogar Vogelgezwitscher zu hören, selbst eine kleine Grünanlage wurde hier angelegt. Mitten zwischen dem beruhigendem, hoffnungsvollem Grün standen kubistische Skulpturen, das Denkmal für die Juden. Hier waren letztendlich auch Steintafeln in allen erdenklichen Sprachen aufgestellt. Englisch, Polnisch, Spanisch, Französisch,... Deutsch. Den Inhalt habe ich vergessen, habe ihn leider auch nicht photographiert. Sollte ihn jemand haben, so bitte ich darum. Nicht weit entfernt vom Denkmal, fanden wir die Krematorien, zerstört. Ihr letzter Brand galt ihnen selbst. Dies war Birkenau, größtes Vernichtungslager Deutschlands, außerhalb Deutschlands.
Für diesen Text hier musste ich meine Photos trennen zwischen denen, auf denen überwiegend lächelnde Menschen zu sehen sind, und denen von Auschwitz. Dieses Damals ist ein dunkler Fleck der Vergangenheit. Es ist förmlich ein Riss in der deutschen Geschichte. Denn nichts sollte mehr im Land östlich des Rheinufers so sein, wie es einst war. Schließlich wurde ein Volk fast gänzlich ausgerottet. Mich erinnert der Konflikt zwischen Deutschen und Juden an Kain und Abel. Könnte man bei diesen Beiden auch von Völkermord reden? Immerhin brachte Kain ein Viertel der Menschheit um. Weswegen? Neid? Hatte Kain blondes Haar und blaue Augen und Abel schwarze Schläfenlocken und eine knollige Nase? Er kann es uns nicht mehr sagen, er ist tot.
Aber was genau ist denn nun eigentlich Birkenau? Birkenau ist Vergessenheit. Wenn die Zeit seinen Schleier über die Morde hängt und Gras in den KZs wachsen lässt. Ich habe auch schon eine Menge vergessen. Dennoch: Von der Vergangenheit kann man lernen um auch die Zukunft nicht zu vergessen. Wenn man sich jedoch die Springerstiefeljugend mal ankuckt, merkt man, dass zwar die Vergangenheit nicht vergessen wurde, aber die Moral wurde verfehlt.

 

nach oben Autor:Waldemar Goldnik, Web:Gisela Müller Datum: September 2003. Letzte Änderung am 29. Juli 2004
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