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Rudolf von Bennigsen


Vom Staatsdiener zum nationalliberalen Politiker

Das Adelsgeschlecht der Bennigsens mit dem Stammsitz im Dorf Bennigsen (ursprünglich Bennucheshusen) zwei Kilometer südlich von Hannover ist bis 1311 zurückführbar. Es teilt sich in eine jüngere Linie mit relativ mäßigem Besitz und eine älteren Linie, aus der der Oberbefehlshaber der russischen Armee gegen Napoleon 1812/13 L. A. Gottlieb von Bennigsen hervorging, sowie dessen Sohn Graf Alexander von Bennigsen, der in der Innenpolitik Hannovers ab 1848 eine gewisse Rolle spielte. Beide hatten aber keine persönlichen Beziehungen zueinander. Sowohl der Vater wie der Großvater Bennigsen waren im Militärdienst, ebenso einer seiner Brüder.
Als Schüler des Johanneums zeigte Rudolf von Bennigsen außer guten Leistungen noch keine seiner späteren Fähigkeiten, denn er galt eher als verschlossen und schweigsam. Sogar von einem Suizidversuch aus nicht geklärten Motiven wird 1841 berichtet. Später beschreibt er die Schulzeit in Hannover als geisttötend, die ihn ohne Klarheit über sich und die Welt ließ. Schulaufsätze aus den Jahren 1838-42 über erstaunlich aktuelle Themen wie "Nachteile des Aberglaubens" und "Vor- und Nachteile des Maschinenwesens" zeigen aber die Gabe, sich mit Problemen der Gesellschaft zu beschäftigen.
Durch den ständigen Garnisonswechsel des Vaters konnte bei ihm kein echtes Heimatgefühl aufkommen, das ihn an althergebrachte Gebräuche oder überholte Ansichten und adlige Privilegien gebunden hätte. Durch die Versetzung seines Vater nach Frankfurt als Bevollmächtigter bei der Militärkommission des Deutschen Bundes 1843 wurde sein Blick frühzeitig über Hannover hinaus auf die gesamtdeutsche Ebene gelenkt. Schon im Studium gewann er durch Redegewandtheit und Haltung Führungsqualitäten. Sein Beruf als Jurist und seine Laufbahn als Beamter im Staatsdienst Hannovers erschienen ihm bald aussichtslos und langweilig. In der Revolution 1848 wurde mit seiner Kritik am preußischen König Wilhelm IV. , den er ein "frömmelndes unfähiges Scheusal" nannte, seine liberale politische Gesinnung deutlich. Er trat allerdings für eine konstitutionelle Monarchie, die Schaffung eines Deutschen Reiches und eine friedliche Entwicklung durch Kompromisse zwischen Fürsten und Bürgertum ein.
Als er 1856 zum ersten Mal als Abgeordneter in die Zweite Kammer Hannovers gewählt und seine Beurlaubung aus dem Staatsdienst abgelehnt wurde, brach er mit seiner ganzen adligen Vergangenheit und seinem sozialen Umgang, indem er aus dem Staatsdienst austrat und sich ganz der politischen Vertretung bürgerlicher Rechte widmete. Dabei nutzte er schon den Landtag in Hannover als Forum für seine weiterreichenden gesamtdeutschen Ziele. 1858 beschloss er mit Gleichgesinnten die Gründung einer Vereinigung, die die deutsche Reichseinheit mit einer reformierten Bundesverfassung vorantreiben sollte. 1859 wurde der Nationalverein in Frankfurt gegründet und Bennigsen zum Vorsitzenden gewählt. Bennigsens Vorstellung einer Reichseinheit mit einem konstitutionell erneuerten Preußen als Führungsmacht und einer bundesstaatlichen Struktur wurde allerdings von den süddeutschen Vertretern eher abgelehnt.
Als 1862 die ablehnende Haltung des konservativen preußischen Ministerpräsidenten Bismarck gegenüber den Liberalen deutlich wurde, schienen die Voraussetzungen für Bennigsens Politik zerstört. Bismarck war für ihn ein "höchst miserables Epigonentum des Alten Fritz"; Preußen wurde 1863 wegen seiner Mithilfe an der Unterdrückung des polnischen Aufstandes scharf getadelt. Durch den Gang der politischen Ereignisse, die hauptsächlich durch die Großmächte Preußen und Österreich vorangetrieben wurden, war Bennigsen zu Kompromissen mit neuen Realitäten gezwungen. Obwohl er noch 1864 erklärte, Preußen und Österreich hätten durch ihr eigenmächtiges Vorgehen in der Schleswig - Holstein - Frage ihren Anspruch verwirkt, Großmächte Deutschlands zu heißen, musste er 1867 und 1870 umdenken. Preußen riss 1866 mit seinem Austritt aus dem Deutschen Bund und seinem Krieg gegen Österreich die Initiative gewaltsam an sich. Bennigsen verurteilte zwar eine kriegerische Lösung; aber für den Fall, dass der Krieg nicht aufzuhalten war und Preußen siegen sollte, hoffte Bennigsen auf einen Fortschritt in der Frage der Reichseinheit. Einen Regionalstaat wie Hannover hoffte er als selbstständigen Bundesstaat dadurch zu erhalten, dass Hannover in den Kriegshandlungen neutral blieb. Bennigsen konnte sich deshalb ähnlich lautende oder weitergehende Angebote, mit denen Bismarck ihn 1866 persönlich zu überreden versuchte, als Einmischung verbitten. (Gegen anderslautende verleumderische Vorwürfe der Welfenpartei, die ihm noch 1888 deshalb Landesverrat vorwarf, konnte er sich gerichtlich zur Wehr setzen).
Im Gegensatz zu Bennigsen entschied sich der König von Hannover Georg V. aber für ein Bündnis mit Österreich und beschwor so durch die preußische Besetzung Hannovers dessen Ende als Königreich herauf. Die neue Lage durch den Sieg Preußens ließ die Liberalen im neu gewählten Reichstag des Norddeutschen Bundes umschwenken. Bennigsens Strategie war es nun, am Aufbau des Norddeutschen Bundes als Vorstufe zur deutschen Reichseinheit mitzuwirken , aber unter Stärkung der Bürgerrechte und des Parlamentes.
Obwohl es Bennigsen nicht gelang, in der Verfassung wichtige liberale Grundsätze wie die Verantwortlichkeit des Kanzlers und der Minister vor dem Reichstag durchzusetzen, nahmen die Nationalliberalen eine Zusammenarbeit mit Bismarck in Aussicht, die in den folgenden Jahren trotz vieler Konflikte einigermaßen funktionierte. Bismarck konnte die Nationalliberalen sogar mit seinem Krieg gegen Frankreich 1870, der die langersehnte Reichseinheit brachte, auf seine Seite ziehen. Die Annäherung führte 1877 sogar zum Vorschlag Bismarcks, Bennigsen zum Minister des Innern zu machen, was dieser aber selbst dadurch verhinderte, dass er weitere liberale Forderungen nach Reformen stellte und den Eintritt von zwei weiteren liberalen Ministern in die Regierung verlangte.
Bismarcks Politik war letztlich auf die Spaltung der damals starken Nationalliberalen ausgelegt. Die Ablehnung des Sozialistengesetzes durch Bennigsens Partei 1878 und die Hinwendung Bismarcks zur Schutzzollpolitik brachten Bennigsen in Schwierigkeiten. Die Wahlen von 1881 bedeuteten eine Schwächung und Spaltung der Nationalliberalen, so dass Bennigsen 1883, der politischen Auseinandersetzungen müde, seine Abgeordnetenmandate niederlegte. Nachdem er 1887 - 98 wiederum Reichstagsabgeordneter und Führer der Nationalliberalen gewesen war, konnte Bennigsen schließlich auf auf 28 Jahre Reichstagsarbeit seit 1867 zurückblicken, als er sich aus dem politischen Leben zurückzog.
Gerhard Glombik


nach obenAutor: Gerhard Glombik Datum August 2000 Letzte Änderung am 12. April 2006

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